Ein Taufeintrag, offenbar nachträglich unleserlich verwischt der Name des (ledigen) Vaters:
https://data.matricula-online.eu/de/oest...rf/01-03/?pg=39
Mit der Beharrlichkeit eines Dackels hat Miss Marple lange nachgegraben und das Rätsel gelöst: der kleine Ferdinand geb am 1. April 1711 war der illegitime Sohn des Josef Mathias Lasser, dieser wiederum der 18-jährige Sohn des hochfürstl. Salzb. Pflegsverwalters, eines "nobilis Dominus" zu Arnsdorf. Dieser noble Dominus hatte sich über Jahre mit den jeweiligen Pfarrern - meist zurecht - angelegt und immer wieder deren Versetzung veranlasst (wegen "Excess", "Trunkenheit" etc.)
Sein Sohn Josef Mathias hatte sich mit einer Dienstmagd verlustiert, das sollte nicht unbedingt publik werden. Der junge Vater folgte umgehend dem kaiserlichen Heer und kam in Bayern 2 Jahre später ums Leben, die Mutter des Kindes heiratete ein Witwer, damals einer der wohlhabendsten Bürger der Gemeinde. Ferdinand Lasser mangelte es nie an Geld, die Familie bekannte sich zwar nicht offiziell zum illegitimen Enkel, allerdings heiratete er später eine Dienstmagd und war in der Lage, sich ein Bauernhaus samt Gründen zu leisten. In späteren Korrespondenzen aus Herrschaftsakten wird ersichtlich, daß er niemals irgendwelche Abgaben geleistet, überall Schulden gemacht (man wußte ja, wer er war und lieh gerne) und diese nie beglichen hat. Seine Entschuldigung: "er sei kein Mann zum Arbeiten". Nun war er aber mittlerweile Göttweiger Untertan und Verwalter samt Abt (welcher sich lange zierte) konnten letztlich nicht anders, als Ferdinand Lasser "abzustiften".
Sein Besitz wurde zur Gänze versteigert.
1760 waren alle seine prominenten Verwandten tot, er hatte keine Fürsprecher und Geldgeber mehr, war völlig mittellos und konnte nicht einmal 15 Kreuzer für die Beerdigung seiner Tochter aufbringen. Ferdinand Lasser starb verarmt und als geduldeter "Inwohner" mit 50 Jahren anno 1761.
Hinter dem verwischten Taufeintrag steckte also eine Lebensgeschichte, die ich nie vermutet hätte. Wird wohl nicht die einzige solche sein.

Gratuliere zum Ergebnis dieser Schatzgräberei!

Besonders angestrengt hat man sich beim Unleserlichmachen aber nicht. Mir ist kürzlich ein Taufeintrag untergekommen, wo der Name des Vaters übermalt worden ist, mit einem Zusatz in der Art wie "wegen der öffentlichen Ehrbarkeit wird der Name des Vaters nicht genannt" ....

Die "Ausrede" erinnert mich übrigens an einen Satz aus dem Gleichnis Lk 16,1-8: "Zu schwerer Arbeit tauge ich nicht, und zu betteln schäme ich mich."

Robert.

Danke für diese schöne Geschichte!

Mich begeistern solche Sachen, weil hier plötzlich Menschen aus Fleisch und Blut auferstehen, Menschen mit all ihren Stärken und Schwächen.

Schönen Abend,
Uli

Wir hatten mal einen Fall von wegen "der Name des Vaters blieb in der Feder" erinnerst Du Dich?
Das Bibelzitat ist interessant, zumal diese Ausrede des Lasser in einem Brief an den Göttweiger Abt aufscheint.
lG MM

Hallo Uli,
was die Geschichte für mich noch faszinierender macht, ist die Tatsache, daß sich die beiden jungen Leute in dem Haus in welchem ich heute das Privileg habe, leben zu dürfen, nähergekommen sind. Mathias Mutter hatte es 1699 um die unglaubliche Summe von 3.000 Fl erkauft und wohl in weiterer Folge ihren illegitimen Enkel so lange sie konnte im Auge behalten, zumal ja dessen Vater, ihr Sohn, nur 20 Jahre alt wurde und der Kleine erst 3 Jahre alt war bei dessen Ableben. Vermutlich hat sie auch die Ehe der jungen Mutter arrangiert und diese somit inoffiziell wohlversorgt.
schönen Abend MM

Tolle story!
und ein wirklich ehrenvoller Vater, der seinen Sohn deswegen zum Militär schickt.

Ich habe auch einen Fall, wo der Sohn Trotz Ehezusage die nun schwangere Frau nicht heiratet. Darauf von der werdenden Mutter geklagt, erwidert der Erzeuger: "... die Eheversprechung seye nicht mit ehrlicher/ehelicher Titulatur beschehen ...", Die eltern sind dagegen, die Herrschaft kann ihn auch nicht zwingen zu heiraten, so wird die werdende Mutter finanziell abgefertigt. Der Name des Sohnes ist Ehrenreich Süss. Ich führe "Ehrenreich" Süss seitdem immer mit Anführungszeichen in der Chronik.

@MissMarple: Ich hätte gerne gewusst, wie der Witwer, der die arme Mutter geheiratet hat, geheissen hat?

lg Walter

Anscheinend ist vorehelicher Verkehr doch öfter vorgekommen, als vermutet. Wenn bald darauf geheiratet wurde, ist‘s natürlich nicht so aufgefallen. Manchmal ist das Kind dann doch wenige Monate nach der Trauung gekommen.
Im nachfolgenden Fall (die Hochzeit fand am 1.2.1654 statt) ärgert sich der Pfarrer, weil die Braut (verbotenerweise) jungfräulich geheiratet hat.

1.2.1654 Trauung, 1. Eintrag:

https://data.matricula-online.eu/de/oest...52C3-02/?pg=136

Sollte er den Eintrag erst nach der Taufe geschrieben haben, könnte es Absicht sein, die Daten der Braut wegzulassen?

28.6.1654 Taufe, 1. Eintrag:

https://data.matricula-online.eu/de/oest...252C3-02/?pg=88
NB (nota Bene) Juni 28 dessen? Bapt. Maria par(entes) Georg Liendel und Apolonia von Hasselb(ach) (NB Copulati 1. Febr. 654 dises b??????-Mensch (Mädchen) nihilo ius hat ein Krantz getragen) patrina Maria Faystenbäurin, Mayrin zu Schwartzenau.

Vielleicht kann jemand die fraglichen Stellen lesen?

LG Walter

Guten Morgen Walter,
zur obigen Lasser-Geschichte:
Der "ehrenvolle Vater" hat übrigens seinen Buben NICHT zum kaiserlichen Heer geschickt, er war bereits tot. Diese Entscheidung traf offenbar der junge Mann selbst oder die Herrschaft, welche in Kriegszeiten eine gewisse Anzahl Rekruten zu stellen hatte, meist hatten sich diese irgendetwas zuschulden kommen lassen und man ersparte sich Scherereien, Schreibereien und überhaupt war wieder alles tulli.

der Witwer welcher das "gefallene Mädchen" 1716 geheiratet hat, hieß Michael Pöringer, etwa 50 Jahre alt, welcher eine 80-jährige Wittib Magdalena Neuwirth aus Bacharnsdorf geheiratet hatte, ebendiese wohlhabende Dame hatte kurz vor ihrem Tod anno 1716 "schwach und bettlägrig" ihr bereits verfaßtes Testament welches ihre Neffen als Erben nannte, widerrufen und ihren "Ehewirth Michael Pöringer" zum Alleinerben erklärt. Sie war immerhin so gut bei Kasse, daß sie auch als "Benefatrix" von Kirche und Kapelle in Arnsdorf in die Annalen einging.

Zu Deiner Geschichte da oben kann ich nur herauslesen, daß die Braut "Gschwangert" zu unrecht (nihilo ius) einen Kranz getragen habe. Meine ich zumindest zu lesen.
Der Heiratseintrag ist glaube ich unabsichtlich so verfaßt.
In unserer NÖ Gegend mußten die ledigen Mütter als Strafmaßnahme übrigens mitunter "mit einem Strohkranz und einer schwarzen Kerzen" vor der Kirche stehen und sich demütigen lassen.
LG MM

Noch eine Anmerkung zu den früher als 9 Monate nach der Trauung geborenen Kinder: ich habe einige Protokolle gefunden, wonach Hebammen das geborene Kind begutachten mußten und eine Expertise zur "Kindsreife" abgaben. Sollte das zB 7-8 Monate nach der Hochzeit geborene Kind "reif" gewesen sein, so wurde beinhart im Taufbuch "fil leg" gestrichen und "fil illeg" oder "spurius" darübergepinselt.
LG MM

Guten Morgen,

zu diesem Thema habe ich auch einen Fund, der allfällige Väter mit in die Verantwortung nimmt:

https://data.matricula-online.eu/de/oest...ach/01-02/?pg=9

27.3. Parentes: Maria Rotensteiner, der Vatter alle Hurer

LG Zita

Netter Eintrag...
Es gäbe eine weitere Geschichte aus dem Geroldinger Taufbuch, die ich Euch nicht vorenthalten will - in weiterer Folge zusammengesucht aus Passauer Consistorialprot. und Herrschaftsakten:
https://data.matricula-online.eu/de/oest...3%252F02/?pg=56
rechte Seite unten, ein ganzer Absatz später durchkreuzt. Hier wird am 18. Mai 1749 eine illegitime Francisca Josepha getauft. Darüber später eingefügt: "dies getaufte Kind wurde ausgestrichen, ist aber alles giltig"
Die Dienstmagd Rosalia Frölich war vom Verwalter in Schönbühel, auch ein "nobilis Dominus" Franz Joseph Püringer, wo sie in Diensten war, geschwängert worden. Nun war aber der noble Präfekt mit der Witwe seines Vorgängers alda verehelicht. Er steckt der schwangeren Rosalia heimlich 100 Fl zu, auf daß sie Stillschweigen bewahre. Immerhin stand seine Position auf dem Spiel. Die betrogene Ehefrau wurde allerdings informiert, drang rasend vor Wut und Eifersucht in die Kammer des Mädchens ein und nahm das Geld aus dessen Truhe. Nun setzte sich Rosalia zur Wehr, offenbar unterstützt von Wohlmeinenden , appellierte an das Consistorium und verlangte Geld für Kindbett und Unterhalt. Der Kindesvater, wohl kein besonders mutiger Mann, nahm auf Anraten seiner betrogenen Ehefrau einen Adcocaten, welcher zunächst veranlasste, daß der Eintrag im Taufbuch gestrichen werde und das Kind keinesfalls den Namen des "angeblichen" Vaters tragen dürfe. Die Kindsmutter sei nämlich auch in Begleitung des Schulmeisters gesehen worden und man könne ja nie wissen. Jedenfalls blieb Rosalia standhaft, die benannte ihre Tochter nach dem Vater "Francisca Josepha" und bekam letztendlich recht: es wurden ihr 70 Fl zugesprochen und sie mußte ihr Kind in ein "Spital" bringen damit sie "in einen Dienst gehen könne". Was sie auch tat, sie verließ die Herrschaft. Allerdings waren auch die Tage des Präfekten gezählt. Bereits 1750 findet sich ein neuer Verwalter in Schönbühel.
MM

Ich weiß nicht, ob die Geschichte aus der 2. Hälfte des 19. Jhdts. wahr ist, meine Großmutter und ihre Schwester haben es bestritten. Ich habe auch schon in der Gegend nach einem entsprechenden Taufeintrag gesucht, aber (noch) keinen gefunden. Eine Großcousine (oder Tante 2. Grade oder irgendsowas) von ihnen hat gerne erzählt, dass der Großvater meiner Großmutter, Gastwirts- und Fleischhauerssohn mit 16 Jahren ein Kind gezeugt habe und zu jedem Monatsersten von seinem Vater eine Ohrfeige bekommen hat, weil dieser dafür zahlen musste ...
Er hat übrigens, und das ist sicher wahr, später eine unehelich geborene Kellnerin geheiratet (ohne dass sie schwanger gewesen wäre), die allerdings insofern standesgemäß war, als ihr kolportierter Vater auch Wirt war, wahrscheinlich ein nobler. Diese ist lange Zeit von der noblen Familie wegen ihrer Herkunft gemieden und nicht eingeladen etc. worden.

Auch nicht ganz unnobel scheint ein anderer meiner noblen Ururgroßväter gewesen zu sein, seines Zeichens ein Wundarzt und Geburtshelfer. Als Witwer nach der ersten seiner drei Frauen hat er eine Bauerntochter geschwängert und diese auch geheiratet. Hoffentlich nicht wahr ist hingegen die Familientradition, dass er die Namen seiner zahlreichen Kinder nicht immer gewusst hätte ...

Robert.

verehrte Miss Marple, vielen Dank für die Info, Böringer hab ich auch im Ahnenstamm, muss schauen, ob's da einen Zusammenhang gibt.

70 bzw. 100 fl ist ganz schön viel Geld, da konnte man schon ein Haus kaufen. In meinen Fällen waren höchstens 50fl drin, meistens viel weniger. 20-100fl war die Strafe des Vaters an die Herrrschaft.

Walter

Zu den Strafen im 17/18 Jh hätte ich noch beizutragen (Herrschaften in der Wachau und südl Waldviertel)
-bei armen ledigen Leuten lag diese zumeist bei 5 Fl und/ oder Arrest für den Mann, Schandstrafe für die Frau
-Ehebruch samt Schwängerung je nach finanzieller Potenz des Vaters 20-100 Fl (im wiederholten Falle die 100 Fl), Schandstrafe und Ausweisung für die ledige Mutter
-beidseitiger Ehebruch 25-100 Fl
oftmals wurden die ledigen Mädchen der Herrschaft verwiesen und mußten sehen, wie sie mittellos mit Kind irgendwo unterkommen konnten.
wie schon gesagt, war auch die Rekrutenstellung sehr beliebt, wenn also ein armer Bauernbub, der keine Chance auf Erbe hatte oder ein Waise war, oder selbst illegitimer Herkunft, sich folgenreich verliebte, wurde er zur nächsten Rekrutierungsstelle eskortiert, dort dem kaiserlichen Heer einverleibt und blieb zumeist für immer verschollen.
War er dann 32 Jahre fort (scheint die "Deadline" gewesen zu sein), wurde ein Inventurprotokoll angelegt und die paar Kreuzer, welche er jemals besessen haben sollte fielen als "Schreibtax" der Herrschaft anheim oder wenns etwas mehr war, der Kirche, indem eine Messe gelesen werden sollte. Etliche Burschen allerdings nahmen diese Gelegenheit auch selbst wahr und flohen rechtzeitig um sich "als Gemeiner oder für eine Musquetierer unterhalten zu lassen".

Ich habe eine nette Geschichte im Waldviertel gefunden. 2 Brüder heiraten 2 Schwestern die Nachbarn waren. Geschehen am 30 .Mai 1820 im Waldenstein https://data.matricula-online.eu/de/oest...2%252F03/?pg=47