Ich schmökere grade ein wenig in den Passauer Konsistorialprotokollen und wundere mich, wie arm im 18. Jhdt. Wirte und Bäcker im Mostviertel waren ...

So hat z.B. 1773/74 der verwitwete Marktrichter und Bäckermeister Leopold Tichler vor seiner Heirat mit Katharina Höllrigl um Dispens vom Hindernis des 3. u. 4. Grades der Verwandtschaft/Schwägerschaft "ex motivo paupertatis et angustiae loci" angesucht. Er war also zu arm, um sich eine weniger verschwägerte Braut außerhalb seines engen Tales zu suchen??

Dieses Hindernis ist wohl dadurch zustandegekommen, dass sein zukünftiger Schwager Matthäus 1770 die Schwester (Ma. Magdalena Sturm) von Tüchlers erster Frau Ma. Theresia geheiratet hat. Davor haben die beiden um Dispens vom 4. Grad der Verwandtschaft angesucht "ex motivo paupertatis et nimiae familiaritatis".

Dieses Hindernis (und vermutlich auch die enge Beziehung) ist wohl dadurch zustandegekommen, dass sein Onkel Andreas Joachim 1765 die Schwester Eva Anna von Matthäus' zukünftiger Frau geheiratet hat ... - Aja, dadurch waren Tüchler u. seine 2. Frau eben auch noch verschwägert ...

Wie allerdings die "Armut" zustandegekommen sein soll, ist mir rätselhaft. Die Höllrigls waren Wirte und Fleischhacker in der ganzen Gegend und das wäre das erste Mal, dass ich solche am Hungertuch nagen sehen würde. Außerdem haben sie auch immer wieder in niedrigstadelige und höchstbürgerliche Familien eingeheiratet. Einmal habe ich etwas von einem Testimonium paupertatis gelesen (nicht bei dieser illustren Familie), das beigebracht werden sollte, das wäre bei den Höllrigls wohl schwer zu erhalten gewesen.

Haben sich die Herren Konsistorialräte da zum Besten halten lassen oder war es ihnen egal?

Robert.

Eine kleine "überraschende" Ergänzung: Joachim Höllrigl und Anna Eva Sturm haben 1765 um Dispens vom Hindernis der Verwandtschaft im 3. Grad angesucht. Allerdings war dabei von keiner Armut die Rede, sondern nur von der "Vermeidung der Unzucht wegen ihres langjährigen engen Verhältnisses" ...
Wie die beiden verwandt waren, muss ich erst herausfinden.

Robert.

Edit: Andreas Joachim.

war er wirklich so arm, oder wurde das Argument nur vorgeschoben?

Wie gesagt, ich kann mir schlecht vorstellen, dass in dieser Sippe jemand so arm gewesen wäre, dass das Argument passen würde. Für mich schaut das eher nach einer gezielten Heiratspolitik aus, so bleibt alles schön in ein paar wenigen Familien ...
Übrigens steht in dem Eintrag, wo Leopold Tichler ansucht, gar nichts von der Armut, das taucht erst in der Gewährung auf. Vielleicht waren das irgendwelche stehenden Formeln?

Robert.

Hallo Robert, finde das ganz interessant und habe auch lange herumgesucht, weil ich auch ziemlich sicher bin, daß dies eine übliche Phrase für gewisse Fälle gewesen sein könnte. Leider nichts Erhellendes gefunden. Spannend allemal
Gruss MM

Vielen Dank für die Bemühungen. Anders als dass es feste Formulierungen waren, kann ich es mir schlecht vorstellen. Aber bei den Protokollen habe ich noch gar keine Erfahrung.

Für die Diözese St. Pölten gibt es die Protokolle noch nicht online, nehme ich an. Ich war eigentlich auf der Suche nach einem Dispens für eine richtig nahe Verwandtschaft. Franz Xaver Höllrigl, Sohn des Andreas Joachim hat nämlich Margarita Johanna Susanna Siller, die Tochter seiner Cousine Maria Anna, geb. Höllrigl (einer Schwester der obengenannten Katharina und des Matthäus) geheiratet, aber das war ja erst 1800, da hab ich zuwenig gedacht ...

Robert.