Anno 1734 notiert von Propst Fischer zu Spitz/ Donau in „Gmischgmäsch“
Im 17. Jahrhundert begannen die Wallfahrten nach Maria Taferl aus allen Gegenden zuzunehmen.
Anfänglich (1674 Beginn der Kirchfahrt) wurde von den „Herren Spitzern“ eine „kleine Schar armer Pfarrkinder“ ohne Prozession und Geistlichen zum Gnadenort geführt – mit dem Schiff nach Emmersdorf (stromaufwärts), weiter zu Fuss nach Maria Taferl. Dann wurde der Schulmeister „zum Absingen“ hinzugebeten. Die Kirchfahrt schlug sich in den Kirchenrechnungen immer höher zu Buche, 1686 wurde ein „Herr Vicario“, der Schulmeister, Knaben zum „Fähnleintragen“ entlohnt, 1716 schließlich bereits neben den oben Genannten noch Sängerknaben, Dreifaltigkeitstrager, Christkindltrager, noch mehr Fähnltrager, 2 Mesner (zwecks Geläute zu Emmersdorf bei Ein- und Auszug der Pilger) und eine Menge Schiffleute. Man wollte die anderen Wallfahrer an Pracht und Pomp übertreffen.
Propst Fischer, welcher die Kirchenrechnungen penibel über die vergangenen Jahre hindurch sichtete, war erbost.
Und dagegen.
Und zwar, wie er schreibt „aus folgender Ursach“:
-an den Pfingsttagen könne er keinen Gottesdienst mit Musici halten, weil ja alle wallfahrten seien.
-die Pilger kamen gegen 11 Uhr in Emmersdorf an und sollten dort der Messe beiwohnen, die kleine Kirche faßte aber nur einen Teil der Gläubigen und der große Rest ging mehr der „Potation (Besäufnis) als der Devotion nach“
-man sauft bei der größten Hitz an denen Pfingstfeiertagen in Massen wie das unvernünftige Vieh hinein
-wenn man dann gegen 5 Uhr nachmittags am Gnadenorte anlangte, kann die Pfarrmenig absonderlich das Weibsvolk, mit allen Ermahnen, Predigen und Zuesprechen ja auch von weltlicher Obrigkeit mit Drohen dahin nit bewogen werden, daß man in einer auferbaulichen Ordnung alda einziehete.
- muess man bei schönen Wetter wie von den ledigen Purschen geschieht, in den nächst anstossenden Wald oder bei einfallenden Regen das Nachtlager in einen Wirtshaus nehmen, in denen Wirtshäusern müssen alle übereinander wie Heu und Stroh liegen, alldieweilen gar zu viele Leute zugegen, in dem Wald weiss man ohnedem, dass es gefährlich und halten dergleichen Leute dafür, daß weillen sie aus den Augen derer Menschen also auch aus denen Augen Gottes entfernet und ihnen alles erlaubet und geschieht gar nit selten, daß man auf einer solchen Procession in einer Nacht seine Unschuld verliert, die man zu Haus auf viele Jahr noch erhalten hätte, gewiß ist es, daß verliebte Hauerknecht und dergleichen ihre Menscher, wann sie ein ganzen Jahr nit zusammen kommen können, ihren Rende-vous (sic) und Sammelplatz auf dieser Procession anstellen, damit sie bei dieser gelegenheit ihre geheimen Anliegenheiten und Liebs-Geschäften bei nächtlicher Weillen also viele 100 ja 1000 zu übernachten pflegen in abgelegenen Örtern und Winkeln abends verrichten können welche zu Haus wegen fleissiger Obsorg Väter und Mütter Herren und Frauen oder anderer Leute und Dienstboten Gegenwart halber nit hätte geschehen können.

freundliche Grüsse Miss Marple

Danke fürs Lesenlassen - Sodom und Gomorrha :-)

das nächste Mal wenn ich von Maria Taferl nach Artstetten gehe, werde ich in den Wäldern vorsichtig sein

Danke liebe Miss Marple

Danke für die Geschichte!

... mit dem Schiff nach Emmersdorf (stromaufwärts), ... und ... die Pilger kamen gegen 11 Uhr in Emmersdorf an ...
Was mich interessieren würde, wie das logistisch funktioniert hat, hunderte? Menschen in 3-4 Stunden ca. 15 km stromaufwärts zu ziehen. Hoffentlich zogen da Pferde und nicht Menschen (wie auf der Wolga)

Walter

Danke allseits für die Kommentare!
ad vitulus: Vorsicht im Wald ist immer geboten, aber die verliebten Hauerknecht fahren heute wohl per SUV und Motorrad durchs Land, also auch auf der Strasse Obacht geben.

ad Walter: es kamen sicher alle Fliessteiner, Schiffleute, Schiffmeister etc. "zum Zug" auch aus Aggsbach und Oberarnsdorf. Falls die eine oder andere Plätte wolgamässig von Menschen gezogen worden sein sollte, dann waren das wohl Büsser, vom streitbaren Herrn Propst dazu verdammt.

Ad Martin: die Strophe vom Frankenlied kannte ich noch nicht, sehr passend, gefällt mir, grossartig!
Miss Marple

Zitat von Miss Marple im Beitrag #6

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ad Walter: es kamen sicher alle Fliessteiner, Schiffleute, Schiffmeister etc. "zum Zug" auch aus Aggsbach und Oberarnsdorf. Falls die eine oder andere Plätte wolgamässig von Menschen gezogen worden sein sollte, dann waren das wohl Büsser, vom streitbaren Herrn Propst dazu verdammt.

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Zitat von RobertD im Beitrag #7

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Da haben dann meine Vorfahren Wimmer und Zeweckhuber auch profitiert diesem gottlosen Treiben!

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Gibts auch Rechnungen zu seiner "privaten" Haushaltung?

Robert.

Hab nix dergleichen gefunden, seine Aufzeichnungen über unbotmässige Pfarrkinder und Herrschaften hat er ja unter "Gmischgmäsch" geführt und die "secrete schwarze Cassa" des Propsten trug vermutlich die Aufschrift "liber prohibitus" und wird im Giftschrank von Niederaltaich für immer verborgen bleiben.
MM