Hallo,


ich hatte ja schon mal erwähnt, daß mein Heimatdorf in Nordrhein-Westfalen zwischen 1609 und 1798 quasi latentes Kriegsgebiet war, weil sich rund herum ein Konflikt an den anderen reihte.

Die Idee vom ruhigen Landleben scheint auch in früheren Zeiten nicht so wirklich ernstgenommen worden zu sein:

"Das Land, das ist der Lärm und die Hast.
Du sprichst von den Reizen des Landlebens, du sprichst von Ruhe, du sprichst von Frieden. [...] Mag die Burg auf einem Hügel errichtet sein oder in der Ebene, sie ward nicht zur Lust errichtet, sondern zu Wehr, umgeben von Gräben und Wall, innen eng, belastet mit Ställen für Rinder und Kleinvieh, mit dunklen Kammern für die Bombarden, mit Vorratslagern für Pech und Schwefel, mit Räumen für die Waffenlager und Kriegsmaschinen; über allem der Gestank von Pulker; und dann die Hunde un der Hundekot - fürwahr, ein lieblich Gedüft! Reiter kommen und gehen und mit ihnen Räuber, Banditen und Diebe; denn meistens stehen unsere Häuser weit offen, und wir wissen nicht, wer wer ist, und wir kümmern uns auch nicht groß darum. Man hört Schafe blöken, Kühe muhen, Hunde bellen, Menschen auf den Feldern rufen, Karren und Fahrzeuge kreischen und klappern, ja an unserem Hause Wölfe heulen, da der Wald nicht fern ist. Jeder Tag bringt aufs neue Mühe und Sorge, der Betrieb muß weitergehen, die Jahreszeiten wechseln, der Acker ist zu pflügen und zu bestellen, der Weinberg zu bearbeiten, Bäume sind zu pflanzen, die Wiesen zu wässern, man muß rechen, säen, düngen, ernten, dreschen; es kommt die Zeit der Ernte, es kommt die Zeit der Weinlese. Und wenn in einem Jahr einmal die Ernte schlecht ausfällt, welch verwunderungswürdiger Mangel, welche verwunderungswürdige Armut; und so fehlt es nie an etwas, das einen bewegt, einen beschäftigt, einen ängstigt, einen bedrückt, einen betrübt, einen zum Wahnsinn treibt - oder in die Flucht."
(Ulrich von Hutten an Willibald Pirckheimer, "Vitae suae rationis exponens", 1518, zitiert nach "Die Geschichte des privaten Lebens", Band 2, Hg. Ariés/Duby, Frankfurt Main 1990, S. 501)



("Gedüft" übernehme ich hoffentlich in meinen Wortschatz.)

Was mich überrascht ist, dass es offensichtlich schon eine Verklärung des Landlebens gegeben hat, auf die Hutten antwortet.

Wenn man bei uns das (oder eher den) Gedüft ausgebrachter Gülle wahrnimmt, hat man schon in meiner Kindheit halbironisch von der "gesunden Landluft" gesprochen.

Robert.

Interessant auch wer da korrespondiert und warum. Die Pirckheimer waren eine der "first families" von Nürnberg und von Hutten stammte aus einem fränkischen Adelsgeschlecht.

Lt. dem Wiki-Artikel über Ulrich von Hutten wurde diese Beschreibung des Landlebens im Zusammenhang mit seinen Bestrebungen eine Festanstellung an einem Fürstenhof zu ergattern verfasst (wofür er anscheinend begründen musste, warum es auf der elterlichen Burg für ihn nicht lebenswert war), hatte also nicht nur deskriptiven sondern auch programmatischen Charakter.

Interessanter und lehrreicher Beitrag, gefällt mir außerordentlich.
Vielen Dank Pascal!
MM

Zitat von PascalH im Beitrag #3

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Interessant auch wer da korrespondiert und warum. Die Pirckheimer waren eine der "first families" von Nürnberg und von Hutten stammte aus einem fränkischen Adelsgeschlecht.

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Zitat von G.C.B. im Beitrag #5

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servus überhaupt, wie lange warst du den abwesend..sicher über ein halbes jahr....

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