Hallo,

Im Laufe meiner Recherchen tauchten immer wieder die Fragen nach Abgabepflichten usw. auf.

Bauern waren in der Regel doch nicht frei, d.h. sie mussten ihrer Herrschaft jährlich Naturalabgaben liefern. Wem gehörte das Haus, in dem sie wohnten? Ich nehme an, dass es auch der Herrschaft gehörte?
Was bedeutete es, wenn z.B. ein Witwer eine Witwe aus einer anderen Herrschaft heiratete?
Dann gab es Bauern, die Eigner waren. Das bedeutet wohl, dass ihnen das Haus gehörte? Sie mussten wohl auch Abgaben liefern?

Häusler (Keuschler) hatten doch nur sehr wenig Grund, sodass sie nur so viel ernten konnten, wie die Familie brauchte. Waren sie abgabepflichtig?

Ich habe immer wieder Tagwerker (Tagelöhner) gefunden. Mussten sie Abgaben entrichten?

Wie war das mit Handwerkern? Waren auch sie einer Herrschaft zugeordnet, der sie Abgaben leisten mussten? Konnten Handwerker weiterziehen, ohne sich mit der regionalen Herrschaft abzusprechen?

Für etwaige Antworten bedanke ich mich schon jetzt,
Uli

Hallo Uli!

interessantes Thema, das du da aufgemacht hast. Ich schreibe hier nur von meinen Erfahrungen, kann jedoch nicht sagen, ob das überall so war:

1. Bauern: Die Häuser, Grundstücke gehörten der Herrschaft und konnten nur gepachtet werden, auch ein sogenannter Kaufvertrag war nur ein Pachtvertrag. Kam ein Bauer seinen Abgaben nicht nach, vernachlässigte er die Felder oder Behausung, konnte er leicht "enteignet" werden. Es ab aber auch Erbrechtsbriefe, wo die Pacht vererbt werden konnte.
Was mich interessieren würde, was der Unterschied zwischen einem Lehen(vertrag) und Kauf(vertrag) ist. Dass Bauern Besitzer waren, ist mir in früherer Zeit nicht bekannt.

2. Heirat: Heiraten mussten grundsätzlich in jedem Fall (Bürger und Bauer) von der Obrigkeit bewilligt werden. Eine Heirat zwischen 2 Herrschaften war möglich, es mussten jedoch vom die Herrschaft verlassenden Ehepartner (manchmal nicht unerhebliche) Abstandszahlungen entrichtet werden.

3. Häusler, Keuschler waren ebenfalls abgabenpflichtig. Auch Inwohner (zwar nicht für das Haus, aber) für etwaige Grundstücke, Äcker, Wiesen, die sie gepachtet/gekauft hatten.

4. Taglöhner, Knechte, Mägde, ... waren nicht steuerpflichtig, solange sie keinen Grundbesitz hatten. Ich habe auch noch keinen Fall gefunden, wo Barvermögen, Schmuck, ... abgabenpflichtig gewesen wäre.

5. Bei Handwerkern bin ich mir auch im Unklaren. Sicher scheint mir, dass sie auch einer Herrschaft untergeordnet waren. In den Fällen, die ich kenne, haben die Handwerker entweder ein Haus gepachtet/besessen, und daher Abgaben geleistet, oder waren Inwohner, dann hat der Hausbesitzer die Abgaben geleistet.

6. Einfach weiterziehen konnte niemand (Ausnahme: das fahrende Volk, Händler, ??? ...). Um Entlassung musste bei der Obrigkeit angesucht und auch bewilligt werden. Ohne Entlassungsbrief war es vermutlich schwer bis unmöglich, woanders unterzukommen. "Unterkommen" konnte man als Bauer, Bürger auch nur mit Bewilligung der Herrschaft. Knechte, Mägde, ... konnten, glaub ich, mit weniger Aufwand direkt von den Bauern aufgenommen werden. Handwerksgesellen brauchten auf alle Fälle einen Entlassungsbrief und einen Geburtsbrief, der die eheliche Geburt nachwies.

Ich hoffe, dass du noch viele ergänzende bzw. korrigierende Antworten bekommst.

lg Walter

Mir sind erst kürzlich im Innviertel (damals bayrisch) im 17./18. Jhdt. "freieigene" Bauern untergekommen. Wie das rechtlich genau war, kann ich nicht sagen. Manchmal haben sie auch Grundstücke oder zusätzliche Höfe einer Herrschaft "besessen", für die waren sie dann abgabenpflichtig. (In den Alpen hat es meines Wissens mehr freie Bauern gegeben.)

Zumindest bei Erbgerechtigkeit bestand auch die Möglichkeit mit grundobrigkeitlicher Bewilligung die Häuser zu verkaufen, sie wurden ja auch vererbt, verheiratet, übergeben, ...

Sind aber auch nur Beobachtungen ...

Robert.

Ja, man konnte auch sein "gekauftes" (gepachtetes) Haus bzw. Grundstücke (vorzugsweise an die Verwandtschaft) "weiterverkaufen", was aber der Herrschaft sauer aufstieß, wenn man's nicht meldete bzw. das OK einholte. Üblicherweise war jede Transaktion der Herrschaft anzuzeigen bzw. deren Bewilligung (je nach "Freiheiten") einzuholen.

Freiheiten, die ich kenne, sind z.B.: Freijahre bei Familiengründung oder Übernahme eines abgebrannten Hauses (das neu zu errichten war), wo 1 oder mehrere Jahre keine Abgaben geleistet werden mussten.
Oder Freiheiten/Sonderregelungen/Ausnahmen die Abgaben, Dienste betreffend.

Ich habe nur 2 Fälle in meiner Ahnenreihe, wo jemand "frei" war.
Im 1. Fall hat mein Ahne sich im 30-jährigen Krieg besonders hervorgetan, Geld und Adelstitel erworben, den Adelstitel "unfruchtbar tot liegenlassen", mit dem Geld einem Kloster den Hof abgekauft, und somit die Abgaben selber kassiert. Was aber neu für ihn war, das Kloster hatte ebenfalls Abgaben wie auch alle anderen Herrschaften (an den Landesfürst?) zu zahlen, diese mussten dann von meinem Ahnen entrichtet werden. Obs mehr oder weniger als vorher war, konnte ich noch nicht herausfinden.

Im 2. Fall haben die (Rats-)Bürger (ca. 30% davon meine Ahnen) der Wachau die Herrschaft Dürnstein übernommen. Das ging aber nur ca. 7 Jahre gut.

Was ich mir vorstellen kann, dass "Freie Bauern" vielleicht etwas mehr Rechte (ähnlich den Bürgern) gehabt haben. Echten Besitz glaub ich eher nicht, bin aber auf sachkundige Antworten gespannt.

lg Walter

Weil oben auch das Thema ERBEN angedeutet wurde, möchte ich hier noch meine Erfahrungen mitteilen:

Ich habe bis dato mehrere verschiedene Erbregeln gefunden, wobei in jedem Fall die Kinder und der "verlassene" Ehepartner erbberechtigt waren. In Eheverträgen wurde geregelt, was jeder in die Ehe einbringt, und wie es im Todesfall zu verteilen war (Wenn z.B.: ein 25-jähriger Gesell die 50-jährige Witwe seines verstorbenen Arbeitgebers heiratete, konnte er so aus der übernommenen Werkstatt Vermögen "erobern und gewinnen", beim Tod der Frau fiel dann z.B.: ihr eingebrachtes Vermögen zum Großteil an ihre Verwandtschaft oder ihre Kinder)

1. Der verlassene Ehepartner bekommt die Hälfte (bzw. 1/3), die Kinder teilen sich die andere Hälfte (bzw. 2/3) ("Niederösterreichischem Landesgebrauch")
2. wie vor, jedoch bekommen die Mädchen die Hälfte des Erbes der Buben (ähnlich wie heute noch im Islam), was öfter zu Streitigkeiten mit Vertretern des Punktes 1. führte.
3. Wenn nur "wenige" Kinder vorhanden waren (1-4!) fällt auch ein Teil des Erbes an die Verwandtschaft (Geschwister, ...) des Verstorbenen.
4. Wenn keine Kinder vorhanden waren, erbten die Geschwister. Sollte es auch keine Geschwister geben, konnten sich Großcousins, Vettern, Muhmen, Neffen, Ändln und Endln ... bis in die 7. Linie! melden und das Erbe beanspruchen (Was mich wundert, dass in damaliger Zeit noch so weit zurück Aufzeichnungen vorhanden waren). So wurde auch zwischen oberstämmigen(männlichen) und unterstämmigen (weiblichen) Erben unterschieden.
5. Wenn keine Erben bzw. die Erben "unwissend" waren, wurde das Vermögen verkauft und der Erlös von der Herrschaft einbehalten. Hat sich innerhalb von 10/20 Jahren kein Erbe gemeldet, verfiel das Vermögen an die Herrschaft.

lg Walter

Bis ca. 1870 wurden ja die Grundbücher von den Herrschaften geführt, somit war ein Verkauf "an der Herrschaft vorbei" eigentlich gar nicht möglich. Aber anderseits läßt die Formulierung "... wird das Eigentum einverleibt für ..." (und die ist häufig zu finden) den Schluss zu, dass die Bauern doch Eigentümer ihrer Häuser, bzw. Grundstücke, waren. Sie hatten aber unterschiedliche Dienste zu leisten.
Einblicke gibt auch die Diplomarbeit von Marianne Messerer - Die Unterschichten der ländlichen Bevölkerung mit Beispielen aus dem Weinviertler Museumsdorf Niedersulz:
http://othes.univie.ac.at/612/1/04-14-2008_0109624.pdf

SG, Triangle

Eine für mich höchst interessante Arbeit. Hab sie schon abgespeichert.

Hallo Uli,

was mir noch aufgefallen ist, allerdings spreche ich da wiederum nur über die Herrschaft meines Forschungsprojekts. Hier gab es während des 17. Jahrhunderts einen Wandel in der Besteuerung. Bis 1690 zahlten nur die Häusler einen Hauszins an das Erzherzogtum Österreich, danach auch die Bauern.

Liebe Grüße!

Dominik

Zitat von Triangle im Beitrag #6

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Bis ca. 1870 wurden ja die Grundbücher von den Herrschaften geführt, somit war ein Verkauf "an der Herrschaft vorbei" eigentlich gar nicht möglich. Aber anderseits läßt die Formulierung "... wird das Eigentum einverleibt für ..." (und die ist häufig zu finden) den Schluss zu, dass die Bauern doch Eigentümer ihrer Häuser, bzw. Grundstücke, waren. Sie hatten aber unterschiedliche Dienste zu leisten.

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Zitat von Triangle im Beitrag #6

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Einblicke gibt auch die Diplomarbeit von Marianne Messerer - Die Unterschichten der ländlichen Bevölkerung mit Beispielen aus dem Weinviertler Museumsdorf Niedersulz:
http://othes.univie.ac.at/612/1/04-14-2008_0109624.pdf

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Hallo,

Danke euch allen für die interessanten Beiträge! Die Diplomarbeit muss ich erst studieren, hatte aber noch keinen Kopf dazu, weil ein Verwandter zum Ahnen wurde... :(

Beste Grüße,
Uli

Zitat von Ulrike M. im Beitrag #1

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Hallo,

Im Laufe meiner Recherchen tauchten immer wieder die Fragen nach Abgabepflichten usw. auf.

Bauern waren in der Regel doch nicht frei, d.h. sie mussten ihrer Herrschaft jährlich Naturalabgaben liefern. Wem gehörte das Haus, in dem sie wohnten? Ich nehme an, dass es auch der Herrschaft gehörte?
Was bedeutete es, wenn z.B. ein Witwer eine Witwe aus einer anderen Herrschaft heiratete?

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Zitat von Ulrike M. im Beitrag #1

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Hallo,


Dann gab es Bauern, die Eigner waren. Das bedeutet wohl, dass ihnen das Haus gehörte? Sie mussten wohl auch Abgaben liefern?

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Zitat von Waltenchamun im Beitrag #2

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Hallo Uli!

Was mich interessieren würde, was der Unterschied zwischen einem Lehen(vertrag) und Kauf(vertrag) ist. Dass Bauern Besitzer waren, ist mir in früherer Zeit nicht bekannt.

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Zitat von RobertD im Beitrag #3

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Mir sind erst kürzlich im Innviertel (damals bayrisch) im 17./18. Jhdt. "freieigene" Bauern untergekommen. Wie das rechtlich genau war, kann ich nicht sagen. Manchmal haben sie auch Grundstücke oder zusätzliche Höfe einer Herrschaft "besessen", für die waren sie dann abgabenpflichtig. (In den Alpen hat es meines Wissens mehr freie Bauern gegeben.)

Zumindest bei Erbgerechtigkeit bestand auch die Möglichkeit mit grundobrigkeitlicher Bewilligung die Häuser zu verkaufen, sie wurden ja auch vererbt, verheiratet, übergeben, ...

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