Liebe Forumsmitglieder!

Durch die Beantwortung einer Frage hier im Forum, bin ich auf die Idee gekommen, Euch das OÖ Landesarchiv etwas näher vorzustellen.
Dazu möchte ich gleich festhalten, dass ich kein Mitarbeiter des Landesarchivs bin und nur darüber berichte, weil es mir ein persönliches Anliegen ist, anderen diese Institution näherzubringen.
Um detaillierte Fragen zu beantworten, fehlt mir die Kompetenz, allgemeines beantworte ich natürlich gerne, wenn auch vielleicht mit zeitlicher Verzögerung.

Vor etwa einem halben Jahr begann ich mit der "erweiterten" Erforschung meiner Vorfahren und ihres Umfelds.
Ich entschloss mich zu einem Besuch im Landesarchiv und war vom ersten Tag an begeistert.
Im Vorfeld hatte ich (wie vielleicht einige von Euch) durchaus eine gewisse Scheu davor, ob der enormen Bestände und deren (nur anfänglichen) Unübersichtlichkeit.

Was konnte man wo finden? Würde sich dort überhaupt jemand um die Anliegen eines einfachen Familienforschers kümmern?
Nun, diese Bedenken wurden am ersten Tage zerstreut.
Die Institution sieht sich als Dienstleister und ein Team hilfsbereiter, freundlicher und kompetenter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellt dies unter Beweis.
Die Recherche an den hauseigenen Computern wird von den Damen vom Informationsdienst erklärt.
Für Fragen aller Art sind wissenschaftliche Mitarbeiter aus den jeweiligen Fachbereichen meist binnen kurzer Zeit und noch am selben Tag mit Rat und Tat zur Stelle.

Was aber bietet das OÖ Landesarchiv (ich kann nur über OÖ berichten) dem Familienforscher?


* Die digitalisierten Bestände des "alten" und des (handschriftlichen) "neuen" Grundbuchs sind für ganz OÖ auf den eigenen Computern im Lesesaal einsehbar.

* Weitere digitalisierte Bestände im Lesesaal: das Theresianische Gültbuch, die Altmatrikeln (vor 1785) sämtlicher OÖ Pfarren und noch einiges mehr, alles auch als Download.

* Physische Archivalien (ältere oder schlecht erhaltene Archivalien als Mikrofilme):

* die sog. Herrschaftsprotokolle des Landesgerichtsarchivs OÖ (zT unter dem Titel "Österreichische Herrschaftsakten" von Familysearch digitalisiert und online gestellt).
Darin finden sich Kaufverträge, Verlassenschaftsabhandlungen, Inventarien, Heiratsverträge u dgl.

* die "Nachfolger" der Herrschaftsprotokolle bzw deren Ergänzung, die Satz- und Gewährbücher des alten Grundbuchs.
Beinhalten grob gesagt alle Rechtsgeschäfte, die mit Besitzänderung zu tun haben, aber auch Lasten, Servitute, Dienste uä.

* die Grundbuchsurkunden der jeweiligen Bezirksgerichte (ab ca 1850).
Sie haben im Grunde den gleichen Inhalt wie die Satz- und Gewährbücher, allerdings aus der Zeit nach Auflösung der Grundherrschaften bis etwa 1900.
Zusätzlich finden sich in den Beständen der Bezirksgerichte auch Vormundschaftsakten, Verlassenschaften, Klagen usw.

* Josephinische Lagebücher, Kataster, Kartenmaterial, Herrschaftsakten (Klagen, Streitsachen, Verhörprotokolle), div. Zunftarchivalien, kirchliche Archive,
Herrschafts- und Kommunalarchive, Partezettel-Sammlungen, Dienstbücher, div Mannschaftsbücher, div Nachlässe, Wirtschaftsarchive, Steuerbehörden, Krankenhäuser und noch vieles mehr.

* umfangreiche Register und Statistiken zu den Kirchenbüchern des ges. Mühlviertels, großer Teile des Salzkammergutes und Teilen des restl. OÖ

* eigene Bibliothek, Verkauf von Büchern des hauseigenen Verlags

Ich habe hier nur jene Bestände erwähnt, die aus meiner Sicht zusätzliche Informationen für den Haus- und Familienforscher bereithalten.
Und das nur aus meiner bescheiden Sicht auf die Thematik, da wäre bestimmt noch viel mehr zu bekommen.

Noch ein paar Worte zum Archiv selbst.

Eine Institution wie diese lebt von ihren Besuchern, sie braucht entsprechende Nachfrage, um ihre Finanzierung sicherzustellen.
Dies ist vielleicht auch der Grund, warum die digitalisierten Bestände nicht online gestellt werden.
Für viele potentielle Besucher ist die Fahrt nach Linz sicherlich abschreckend und mit viel Zeitaufwand verbunden, sicherlich ein Nachteil.
Ich selbst fahre öffentlich (je nach Freizeit, ca 5-6 x pro Monat) von Steyr nach Linz. Das Archiv liegt ja bloß 10 Gehminuten vom Bahnhof entfernt.
Der Informationsdienst beantwortet auch Fragen im Vorfeld des Besuchs und nimmt Aushebewünsche entgegen (auch per e-mail möglich). Dies spart Zeit am eigentlichen Besuchstag.

Öffnungszeiten: Mo, Di, Do 8:30 - 17:00, Mi 8:30 - 13:30, Fr geschlossen
Aushebezeiten: Mo, Di, Do 10:00, 12:00, 15:00, Mi 10:00, 12:00
Tageskarte € 2,-
Jahreskarte € 30,-
Alles weitere auf https://www.landesarchiv-ooe.at/

Ich habe diese (sicherlich lückenhafte und unvollständige) Vorstellung des OÖ Landesarchivs hier geschrieben,
weil ich die Arbeit dieser Institution (wie vieler anderer auch) sehr schätze und auf diesem Wege würdigen möchte.
Und ich will versuchen, manchem von Euch vielleicht die Scheu vor einem Archivbesuch zu nehmen, vielleicht sogar Begeisterung dafür zu wecken.
In unseren Archiven warten so viel verborgene Schätze, die es für uns Ahnenforscher zu bergen gibt und es ist ein
erhebendes Gefühl, eine 200 oder 300 Jahre alte Handschrift in Händen zu halten und darin über eigene Vorfahren zu lesen!

LG Moritz

PS:
Abschließend noch ein Buchtipp:
Willibald Mayrhofer: "Quellenerläuterungen für Haus- und Familienforschung in OÖ", OÖ Landesarchiv, 5. Auflage, Linz 2019
(Was? findet man wo? und wie lese ich die Information. Mit Tabellen zu Maßen und Gewichten, zur Kaufkraft usw, Glossar, erläuterte Abbildungen von Originaldokumenten...)