Der Name Haidvogl
Geschichtliches
Mit dem volkslateinischen FACULA, welches kymrisch (Nachfolgesprache keltischer Idiome) FAGL, althochdeutsch FACCELLA hieß, dem Wort für Fackel, wurde ein Feuerzeichenberg oder Fackelberg gekennzeichnet, auf welchem ständig ein Scheiterhaufen für die rasche Weiterleitung einer Nachricht bereit gehalten worden ist. Bei vielen solchen Feuerzeichenplätzen befinden sich in der Nähe Flur-, Haus- oder Hofnamen die den Begriff „Vogl/Vogel“ enthalten.
Das obere Waldviertel (versus boemiam) war immer Grenzlandregion. Erst 1179 wurden unter Kaiser Friedrich I. Barbarossa die Grenzen teilweise definiert. Hier war ein gutes Nachrichtensystem von größter Bedeutung. Die besten und raschesten Möglichkeiten der Nachrichtenübermittlung über weitere Strecken waren auch zu dieser Zeit durch Rauch und Feuer gegeben (später „Kreitfeuer“).
Da die Dialektaussprache der Mehrzahlform dieser Fluren und Plätze niemals -vögel, sondern immer Fe:igl lautet, kann dem Wort auch das lateinische VIGIL, die Bezeichnung für „Nachtwache“, zugrunde liegen. Beides, Feuerzeichen und Wacht (facula – vigil) stehen im engen Zusammenhang und könnten daher zu einer Begriffseinheit verschmolzen sein, die in der Dialektform Fe:igl ihren Ausdruck findet.
In der Nähe des Platzes, von welchem aus die Alarmsignale abgegeben wurden, musste sich auch der Auslug, die Wachstation befunden haben. Dazu war vor allem ein freier Platz vor einem weiten, freien Feld notwendig, auf dem der „Fackler“ [Fagler] einen Unterstand oder eine Hütte hatte, dem sogenannten „Voglherd“. Ein solcher Platz eignete sich aber auch für den Vogelfänger oder Vogelsteller. Der Staatsbibliothekar Walter Pongratz leitet davon auch den im oberen Waldviertel geläufigen Namen „Vog(e)l“ ab. (Walter Pongratz / Die ältesten Waldviertler Familiennamen, S. 63).
Es liegt auf der Hand, dass diese Späher nicht viel zu tun hatten. Was lag daher näher, als – da man den Platz nicht verlassen durfte – zum Zeitvertreib Vögel zu fangen? Durch diese Beschäftigung konnte sicherlich die Verpflegung verbessert und verfeinert werden. Vielleicht war das Vogelstellen eine Sekundärentwicklung zur Wachfunktion des Facklers. Eine andere Möglichkeit wäre, dass man die freien Flächen als Vogelweide nutzte, ein Gebiet, in dem die Falken für die bei den Adeligen und Bischöfen so beliebte Beizjagd abgerichtet wurden. Später könnte sich daraus eine gedankliche Einheit mit dem Vogelfänger ergeben haben.
Besitzer landschaftlich exponierter Plätze wurden verpflichtet, für den Landesherrn gleichzeitig die schon geschilderte Wach- und Nachrichtenfunktion auszuüben, dafür wurde ihnen ein Sonderstatus verliehen, der sie von den übrigen Freibauern abhob (Einschildritter). Es wär dies eine Erklärung dafür, dass die Geschichtsforscher Walter Pongratz (in „Die ältesten Waldviertler Familiennamen“, S. 172) aber auch Alois Höher (in „Das Waldviertel“, Der Freihof in Harmanschlag und seine Besitzer) die Haidvogln als Kleinadeligenfamilie bezeichnen.
Erste Namensnennung
Die älteste schriftliche Angabe des Namens in Österreich findet sich in einer Urkunde im Schlossarchiv Weitra (NÖ) vom 15. August 1409, wo zusammen mit Anderen ein „Stephanus Haidvogel“, Freibauer aus dem Lainsitztal um St. Martin, als Zeuge in einem Zehntstreit der Pfarre St. Martin angegeben ist. Dass er Freibauer war lässt den Schluss zu, dass sein namengebender Vorfahre „Fakler“, eventuell in der nicht allzu weit entfernten Heide um Gmünd zuhause war. (Der Waller, ein Höhenrücken südlich der ausgedehnten Ebene der Gmünder Blockheide, wäre für so ein Signalfeuer bestens geeignet.) Im 15. Jh. scheinen noch drei Weitere Namensträger in St. Martin und Lembach (Bezirk Weitra) auf. So ist in Oberlembach (nördlich von Weitra) 1499 die kleinadelige (!) Familie Haidvogl als Besitzer des Freihofes bezeugt. Im 17. Jh. sind 15 Familien in der Pfarre St. Martin nachweisbar und im 18 Jh. 22 Namensträger in 14 Örtlichkeiten des Lainsitztales (Walter Pongratz / Die ältesten Waldviertler Familiennamen, S. 172).
In einer Urkunde vom 24.8.1386 im Urkundenarchiv von Ingolstadt findet man einen Hermann Haidvogl.
Die Pfarrmatrikeln rund um Weitra reichen meist bis in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zurück. Im Wesentlichen lassen sich daraus folgende Schreibweisen feststellen:
Haidvogl Haidvogel Haydvogl Haydvogel Haitvogel
Diese verschiedenen Schreibformen kamen zustande, da bis ins 19. Jh. die einzige Orthografieregel lautete: „Schreib wie du sprichst“. Daher gibt es in den Pfarrmatrikeln für ein und dieselbe Person die verschiedensten Schreibweisen, je nach Gehör und Gefühl des jeweiligen Pfarrers. Erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jh. gab es Beratungen, die zur Entstehung von Orthographieanweisungen in Schulen führten (in Österreich 1868). Der gedanklichen Verbindung mit dem Vogel folgend, müssen auch heute Träger des Namens „Haidvogl“ ausdrücklich die Schreibweise ohne >e< einfordern.
Die Ähnlichkeit der Schreibweisen lässt aber den berechtigten Schluss zu, dass alle Namensträger (man findet sie – nicht allzu häufig – weltweit auf allen Kontinenten, jedoch) einen gemeinsamen Vorfahren haben, welcher Generationen vor 1409 gelebt haben müsste. In Österreich sind jedoch zwei Hauptgruppen festzustellen: „Haidvogl“ für den niederösterreichischen Bereich, „Haydvogl“ für den oberösterreichischen. Auffällig ist, dass in beiden Fällen die überwiegende Anzahl der Namen ohne >e<, also –vogl geschrieben werden.
In Österreich findet man die meisten Haidvogl im oberen Waldviertel und in Wien aber auch in Oberösterreich (sh. Haydvogl). Auch in der Steiermark, in Salzburg und im Burgenland sind Haidvogl in verschiedenen Schreibweisen registriert.
Versuch einer Herleitung des Namens
Ziemlich klar ist der erste Teil des Namens, „Haid-“, obwohl Heide im Neuhochdeutschen mit >e< geschrieben wird. Mit „Haid“, althochdeutsch heida (Gottschald, Deutsche Namenskunde, S. 312 und Verweis auf S.318) oder heyde, bezeichnete man ein unbebautes Land. Man beachte aber auch den Flurnamen „Simmeringer Haide“! Bekannt ist auch ein Spottlied eines Attentäters, in dem es heißt: „Auf der Simmeringer Had', hat's an Schneider verwaht“. Dazu passend die Aussprache des Namens in Waldviertler Mundart: „Hoadvogl“. Der geschichtsträchtige Regensburger Haidplatz z.B. war schon im 4. Jh. ein großes, freies Feld westlich des Römerlagers. Auch wenn man alten Schreibweisen keine allzu große Bedeutung zumessen sollte wäre doch anzumerken, dass es in Österreich 23 und in Deutschland 61 Orte bzw. Ortsteile mit dem Namen „Haid“ und 3 weitere mit „Haidt“ gibt. „Heid“ existieren hingegen nur 5.
In den Namensbüchern von Bahlow und Gottschald wird die Herkunft des zweiten Teils des Namens kurzerhand mit Vogel gleichgesetzt. Allein in NÖ gibt es 14 Vogelweidhöfe (Walter Klomfar, „Das Waldviertel“), die aus der Zeit des Mittelalters stammen, jedoch alle bis heute mit –vogel geschrieben werden. Schon Walther von der Vogelweide (1170 – 1230), Geburtsort sehr wahrscheinlich im zwischen Zwettl und Allentsteig (Walthers, abgekommener Ort), schien immer nur mit „Vogelweide“ auf, auch in den Reisekosten des Passauer Bischofs Wolfger von Erla, 1203. Auch die zahlreichen Landschafts-, Flur- und Rottennamen „Vogelsang, Vogelgesang“ werden durchgängig mit >e< geschrieben. Das lässt die Vermutung zu, dass die Endung „–vogl“ beim Namen Haidvogl doch eher auf den Fagler und nicht auf den Vogelfänger zurückgeht, zu beweisen ist es nicht.
Die tatsächliche Herkunft des Namens wird wohl nie schlüssig nachweisbar sein. Die Kenntnis jedoch, wo nun dieser Name wirklich erstmals aufscheint, seine mögliche Entstehung und Entwicklung, bietet einen Ausgangspunkt zu weiteren vielfältigen Entdeckungen wie Wanderungsbewegungen, Siedlungsgebiete und vielem mehr. Letztlich liegt der Sinn der Nachforschungen in der Beantwortung der Frage: Wo kommen wir her?
© Josef Haidvogl, Amstetten

[Edit Mod.: Thementitel gekürzt]

Vielen Dank für den interessanten Beitrag.
Unter meinen Vorfahren gibt es zwar keine Haidvogl, aber ich stoße in den Kirchenbüchern des oberen Waldviertels regelmäßig auf diesen Namen.